Die alte Schneider Burgl wohnte schon immer in unserem Dorf. Ja was bedeutet immer? Genau 92 Jahre, so alt war die Burgl. Damals befand sich das kleine Fachwerkhäuschen am Rande unseres Dorfes, heute ist es inmitten einer großen Siedlung. Die Burgl hieß nicht nur Schneider, nein sie war auch von Beruf Schneiderin. Eine Äderungsschneiderin, neue Kleidungsstücke gab es bei ihr nicht. Schon damals war sie über Generationen hinweg eine liebenswürdige und großzügige ältere Dame. Süßigkeiten für ihre „Kindlein“, ob groß oder klein, hatte sie immer parat. Sie lebt alleine und in ihrer Bescheidenheit auch stets zufrieden in ihrem kleinen Häuschen.
Meist schon ein paar Tage vor dem 1. Advent schmückte die Burgl ihr Schaufenster der Näherei weihnachtlich und festlich. Alles aus ihrer Kindheit war dort zu finden. Ganz wichtig waren ihr zwei alte Petroleum-Lampen und einige Kerzen auf einem Leuchter. Jedes Jahr die gleiche Dekoration, seit Jahrzehnten. Wenn die Lichter in der Dunkelheit im Fenster leuchteten, hörte man Burgels Ruf: „Kommet Kindlein und luaget wia schea es leuchtet!" Es wurde zu einer schönen Tradition in unserem kleinen Dorf.
Aber die Zeit ändert die Dinge. Das Dorf wurde größer und größer, in den Gärten der Häuser wurde zunehmend mit elektrischen Leuchtmitteln dekoriert. Es funkelte grell in allen Farben und Formen. Hirsche, Rentiere, Schlitten, Engel und Sterne waren zu sehen. Es wurde jedes Jahr aufs Neue ein Wettlauf um die größte und hellste Dekoration im Garten.
Noch etwas änderte sich. All die helle und grelle Dekoration konnte die Herzen der Menschen nicht wirklich erreichen und wärmen. Die alte Burgel ließ sich nicht davon beeindrucken. Sie hatte Hoffnung, Weihnachten war und es ist das Fest der Hoffnung.
Tja, an einem Weihnachten wurde nun ein Wettbewerb gestartet, wer wohl die am meisten leuchtende und größte Dekoration in seinem Garten hatte. Da passierte es: Der Strom im Dorf fiel aus. Das Stromnetz war der Belastung nicht gewachsen. Es war auf einen Schlag überall stockdunkel. Ihr ahnt es schon, nur in Burgels Schaufenster leuchten die 2 Petroleum-Lampen und die Kerzen im warmen Licht. Burgels Stimme war laut zu hören: „Kommet Kindlein und luaget wia schea des leuchtet!" Süßigkeiten gab es auch für Klein und Groß. Den Menschen wurde es durch Burgels Freundlichkeit wieder warm ums Herz!
Ein modernes Weihnachtsmärchen nach Georg Ried Susanne Gürtler