Verletzlichkeit als Stärke – Zuflucht bei Gott finden

In einer Welt, die uns täglich mit schlechten Nachrichten konfrontiert – Kriege, Naturkatastrophen, soziale Ungerechtigkeit – ist es kaum verwunderlich, dass viele Menschen sich überfordert, machtlos und verletzt fühlen. Die ständige Informationsflut überfordert nicht nur unseren Verstand, sondern auch unsere Seele. Besonders in solchen Momenten zeigt sich, wie wichtig es ist, einen Ort der Zuflucht zu haben – innerlich wie äußerlich.

Auch mir wird manchmal alles zu viel. Die Welt fühlt sich laut an.
Nachrichten voller Leid, Streit, Spaltung.

Menschen, die einander nicht mehr zuhören, sondern nur noch bewerten.
Und dann trifft es mich persönlich – wenn ich eine Meinung habe, die nicht ins Bild passt. Wenn ich nicht laut bin, aber ehrlich. Ich werde verurteilt. Nicht weil ich falsch bin, sondern weil ich nicht in den Mainstream passe. Das tut weh. Ich merke, wie verletzlich ich bin.

In letzter Zeit merke ich, wie mich die Nachrichten manchmal richtig runterziehen. Jeden Tag prasseln neue Schreckensmeldungen auf mich ein – Kriege, Katastrophen, Hass. Ich merke, wie mein Herz sich dabei oft verschließt. Wie ich abstumpfe oder – im Gegenteil – viel zu dünnhäutig werde. Alles geht mir nahe, und gleichzeitig fühle ich mich hilflos.

In solchen Momenten suche ich Zuflucht bei Gott. Nicht als Flucht vor der Welt, sondern als Ort, an dem ich durchatmen kann. Ich zünde eine Kerze an. Ich sage Gott, wie es mir geht – auch wenn ich nur stumm dasitze. Und ich spüre: Ich bin nicht allein.

Ein Vers begleitet mich seit einiger Zeit:

„Gott ist meine Zuflucht und meine Stärke, ein bewährter Helfer in Zeiten der Not.“

(Psalm 46,2)

 

Gott als kleines Kind

Da kommt mir das Bild, das mir vor einiger Zeit wieder begegnet ist: Gott als kleines Kind. Nicht als König mit Macht, sondern als Baby in einer Krippe – schutzlos, angewiesen auf Liebe und Fürsorge. Wenn Gott sich so klein macht, so verletzlich, dann muss ich mich doch nicht schämen für meine eigene Zerbrechlichkeit.

Das christliche Gottesbild bietet einen bemerkenswerten Zugang zum Thema Verletzlichkeit: Gott zeigt sich nicht zuerst als allmächtiger Herrscher, sondern als kleines, schutzbedürftiges Kind in einer Futterkrippe. In Jesus Christus offenbart sich Gott nicht in Stärke und Unantastbarkeit, sondern in Bedürftigkeit, Sanftheit und Offenheit. Die Geburt Jesu ist ein radikales Zeichen: Verletzlichkeit ist nicht Schwäche, sondern ein göttlicher Weg.

Diese göttliche Selbsterniedrigung hat Konsequenzen für unser eigenes Selbstverständnis. Wenn Gott selbst verletzlich wird, dürfen auch wir es sein – ohne Scham, ohne Masken. Es ist eine Einladung, uns selbst mit unseren Grenzen anzunehmen und damit vor Gott zu treten.

Die Psalmen sind voller Bilder von Gott als Zuflucht, Burg, Fels und Schild. Diese Bilder laden ein, sich nicht der Welt zu entziehen, sondern in Gott einen festen Boden zu finden, auf dem wir trotz aller Erschütterungen stehen können. Verletzlichkeit ist keine Schwäche, sondern ein Zeichen von Menschlichkeit. In der Annahme unserer Verletzlichkeit und im Rückzug in Gottes Nähe kann echte Stärke wachsen.

Wenn die Welt zu laut wird – Rückzug als Schutz

In Zeiten, in denen die Nachrichtenlage erdrückend wirkt, ist es wichtig, die eigene seelische Gesundheit ernst zu nehmen. Es ist kein Zeichen von Schwäche, sich zeitweise von den täglichen Hiobsbotschaften abzugrenzen. Im Gegenteil: Es kann ein Akt der Selbstfürsorge und geistlichen Klarheit sein.

Einige praktische Schritte, um mit der eigenen Verletzlichkeit im Angesicht einer überfordernden Welt umzugehen, sind:

  • Medienhygiene betreiben: Bewusst Zeiten schaffen, in denen keine Nachrichten konsumiert werden – z. B. kein Handy vor dem Schlafengehen.
  • Gebet und Stille suchen: In der Stille können wir uns selbst wieder spüren und Gott begegnen – nicht im Lärm, sondern im Schweigen spricht er oft am deutlichsten.
  • Rituale schaffen: Eine Kerze anzünden, einen Psalm beten oder ein Lied singen kann helfen, sich innerlich zu verankern.
  • Sich mitteilen: Verletzlichkeit kann entlastet werden, wenn wir sie mit vertrauten Menschen teilen, die nicht bewerten, sondern mitfühlen. Ein Gespräch, in dem man sich öffnen darf, kann seelisch entlasten.
  • Vorverurteile nicht: Habe keine Vorurteile andersdenkenden Menschen gegenüber, denn du kennst nicht ihr Leben, ihre Ängste und Sorgen!
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Wenn Wut dir entgegenschlägt – bleib bei dir

Erst kürzlich hatte ich eine Situation im Auto. Ich fuhr ganz normal, ohne Eile. Plötzlich fuhr jemand dicht auf, hupte, gestikulierte wild, brüllte am Fenster.
Ich spürte, wie mein Puls hochging. Dann hatte ich noch an der Ampel den falschen Gang drin und so ging mir noch der Motor aus. Früher hätte mich das total aus der Bahn geworfen. Ich hätte mich klein gefühlt. Angegriffen. Dann hätte ich zurückgeschimpft – aus dem Reflex heraus, mich verteidigen zu müssen und aus Wut über mich, weil ich dieser Person einen Grund gegeben hatte, mich an zu brüllen. Doch diesmal habe ich innerlich Halt gefunden. Ich habe tief eingeatmet
und habe innerlich gesagt:

Das ist nicht mein Zorn. Das ist nicht mein Problem. Ich bin gut, wie ich bin.

Ich habe in diesem Moment bewusst entschieden, ruhig zu bleiben. Nicht aus Schwäche. Sondern aus Stärke. Es hat sich gut angefühlt, nicht einzusteigen in das Spiel aus Wut und Gegen Wut. Es hat mich sogar ein bisschen stolz gemacht – und frei. Der Fahrlehrer meines Sohnes hatte für solche Situationen immer einen sehr tollen Satz gesagt, „nicht so viel darüber nachdenken, die Welt dreht sich deshalb trotzdem weiter.“ Niemand ist ohne Fehler, und kleine Missgeschicke wie mal den falschen Gang einzulegen gehören einfach zum Leben dazu. Wichtig ist, ruhig zu bleiben, daraus zu lernen und weiterzufahren – im wörtlichen wie im übertragenen Sinn.

Ein schlichtes Gebet zum Schutz meiner Verletzlichkeit

„Herr,
du siehst mein Herz.
Du weißt, wie leicht ich verletzt werde.
Wenn andere laut sind,
bleib du meine Stille.

Wenn ich mich schwach fühle,
sei du meine Stärke.

Bewahre mein Herz davor, hart zu werden.
Erhalte mir meinen Mut zur Sanftheit.

In deiner Nähe bin ich sicher.
In deinem Blick bin ich genug.

Amen.“